Freitag der 19 November 2010
Ich stehe gegen 07:00 Uhr auf, frühstücke, mache eine gründliche Morgenwäsche, dann bin ich bereit. Ich gebe einen Teil meines Gepäckes an meine Hauswirtin ab, dann breche ich mit Ffedrerick auf zu dem Busparkplatz von Arusha. Wir finden den Bus nach Ngorongoro, doch ich soll mindestens 100 Dollar zahlen, was ich gar nicht einsehen möchte. Es zahlt doch in dem Bus keiner 100 Dollar, warum sollte ich es dann tun? Ich bräuchte einen Führer, müsste einen Tageseintritt für 24 Stunden zahlen und die Übernachtung koste ebenfalls eine Menge. Selbstbewusst zeige ich das Schreiben meines Helfers von der Lutheran Church Arushas unter den Menschen vor. Es ist in Suaheli verfasst und bringt die Menge nun ins diskutieren, Ffedrerick steht etwas hilflos dazwischen, spricht für mich. Man ist sich einig, dass man mir helfen will, aber gegen Gesetze und Vorschriften, will man auch mir zuliebe nicht verstoßen. Diese Menschen könnten es auch nicht. Ich erfahre, dass mein Ziel in einem Reservat liegt, welches die Touristen nur im Rahmen einer Safari erreichen und betreten. Ich bleibe bockig und will mit dem Bus fahren, aber ich sehe ein, dass ich mich mit wesentlich mehr Geld versorgen muss, wie jenes das in meinen Taschen steckt. An einem Automaten hole ich Geld, dann stehe ich wieder an dem Bus und darf mich schließlich vorne in die Front setzen. Meinem freundlichen Helfer aus dem Miami danke ich, gebe ihm ein Trinkgeld, dann warte ich in dem Bus auf weitere Schritte und Menschenhilfe. Sie kommt prompt.
Athumuni Gamba ist Mitarbeiter der Tourist Information des Ngorongoro Reservats und er ist ausgebildeter Führer. Er will ebenfalls in das Reservat, da er dort am Montag wieder mit der Arbeit anfängt. Welch glücklicher „Zufall“ – mal wieder. Er setzt sich neben mich, hebt mir sein Mobiltelefon an das Ohr, an dessen anderer Leitung ich einen verdutzten Pastor Robert Mallya habe. Wer ich sei? Was ich wolle? Und warum ich gegen Regeln verstoßen möchte? Ich erkläre ihm meine Absichten und dass ich mich naiv anstelle, weil ich nicht besser informiert bin, aber zu allem Nötigen bereit. Er ist noch nicht überzeugt. Ich sage ihm, dass ich in dem Bus nun einmal sitze, auch nicht mehr aussteige und ich gewillt bin Oldupai zu erreichen. Das Gespräch ist erst einmal beendet. Ich fühle mich wie ein Elefant im Porzellanladen und versuche den geschilderten Möglichkeiten meines Führers und neuen Helfers zu folgen. Ich kann es kaum und wir vermögen beide noch nicht zu sehen, wie ich an mein Ziel gelangen soll. Von Ngorongoro nach Oldupai sind es nochmals etwa 35 Kilometer und dort zu übernachten, sei gänzlich unmöglich, so erklärt es mir Athumuni. Mir ist es egal, ich stelle diese Aufgabe hintenan – dann laufe ich eben doch und campe wild – so denke ich Einfaltspinsel in jenem Moment. Der Bus fährt ab und ich genieße die Fahrt, genieße es endlich wieder unterwegs zu sein.
Es sind fast 150 Kilometer von Arusha nach Ngorongoro und zu Fuß ist da gar nichts zu erreichen. Der Bus fährt durch schönste Landschaften, an verschiedenen Reservaten und Ortschaften vorbei, ehe wir nach vierstündiger Fahrt an einer Grenze stehen, wo ich den Soldaten mich und mein Begehr vorstellen muss, ehe wir hundert Meter weiter an den offiziellen Eingang des Reservates kommen. Mein Führer und ich steigen aus dem überfüllten Bus, denn hier muss ich mich anmelden und 50 Dollar Eintritt für 24 Stunden Aufenthalt bezahlen. Der Bus und die Passagiere warten, dann fahren wir in das Naturschutzgebiet, fahren durch einen dichten Dschungel. Ich bin begeistert, hier wäre ein Tarzan vorstellbar.
Plötzlich sehe ich sie, wir alle im Bus sehen sie. Vor uns auf der Straße läuft sehr langsam eine Löwin, mitten auf der Straße, scheinbar unbeirrt durch unsere Anwesenheit hinter ihr. Die Menschen im Bus springen auf, rufen Simba, Simba und die meisten zücken ihre Handys und Fotoapparate. Athumuni erklärt mir, dass dies alles Arbeiter aus dem Reservat seien, dass der Anblick einer Löwin hier auf der Straße für jeden eine Seltenheit ist und er freut sich für mich, dass ich diesen außergewöhnlichen Moment miterleben darf. Ich mache ein paar Bilder von dieser Löwin, wie sie vor uns läuft, gemächlich ohne Hast, würdevoll die Straße frei macht, auf eine Anhöhe springt, innehält und in unseren Reisebus blickt. Wir fahren Schritttempo hinter dem Raubtier her, halten an und die Zeit, so scheint es, tut dies auch. Ich blicke dieses Tier an, welches uns für kurze Zeit geleitet hat. Ich bin wahrscheinlich der Einzige in dem Bus, der nicht überrascht ist über diese Begegnung, deute diesen Geleitzug als gutes Omen und danke der Mutter für ihre Begrüßung. Die Begegnung endet und unser Bus quält sich weiter die Sandstraße in die Höhe, durch Dschungel an den Rand des Kraters. Dort steigen wir an der Tourist Information aus und ich folge meinem Begleiter, zuerst mit Jeep, dann zu Fuß in die Arbeitersiedlung von Ngorongoro. Zu dem Haus von Pastor Robert Mallya. Ich werde dort erwartet, hat doch mein Begleiter im Bus, noch einmal mit dem Pastor telefoniert, ihm mein ungewöhnliches Anliegen vorgetragen, meine Herkunft und die seltsame Reise geschildert, sodass ich hier nun auf weitere Hilfe hoffen darf.
Pastor Robert Mallya ist freundlich aber verständlicherweise noch reserviert. Ich stelle mich vor, erzähle von meiner Pilgerreise und trinke dankbar einen Kaffee, den mir ein Mädchen in dem Wohnzimmer zubereitet. Etwas vertrauensvoller nun, zeigt mir Bruder Robert anschließend die Siedlung und seine Kirche, obwohl ihm meine Pilgerreise wahrscheinlich noch nicht geheuer ist. Er fragt mich, ob ich zu Gott oder zu den Göttern bete. Ich sage ihm, dass ich zu dem Schöpfer bete und keine Hexerei betreibe, er ist zufrieden. In seiner Kirche kann ich den Chor bei den Proben bestaunen, ihre afrikanischen und religiösen Lieder sind wunderschön und ich bekomme ein Lied gewidmet. Ich halte eine kurze Rede und danke den Menschen.
Die Siedlung bestaune ich auch, denn hier stehen wilde Büffel in den Feldern und bei den Häusern, hier sehe ich eine Antilope im Gebüsch grasen und der Pastor erzählt mir, dass die Löwen vor einigen Wochen, einen Büffel ganz in der Nähe der Häuser, des Nachts gerissen hätten. Hier ist Dschungel und der Mensch lebt mittendrin. Wir gehen vor der Dämmerung in das Haus, sitzen im Wohnzimmer und ich lerne die Familie des Geistlichen kennen. Seine Frau und die beiden Söhne. Ich höre von der Tochter, dem ältesten Kind der Eheleute, welche in Arusha in eine weiterführende Schule geht. Hier vor Ort ist Bildung nur begrenzt möglich. Nächstes Jahr soll Joel Mallya der älteste Sohn auf eine Schule in Arusha, wir reden über die Kosten der Schule und ich verspreche, mich um die Finanzierung zu kümmern. Der fünfjährige Joel ist ein heller Geist, bleibt die ganze Zeit an meiner Seite, kommuniziert auf Suaheli mit mir und ich gewinne ihn, seinen Bruder, überhaupt die ganze Familie, sehr lieb. Man zeigt mir das Gästezimmer unter dem gemeinsamen Dach, die Waschräume und man lädt mich zu einem Abendessen ein. Zum zweiten Male auf dieser Reise nehme ich Gastfreundschaft als Obdach in Anspruch.
Pastor Robert Mallya gibt einem fremden Pilger Gastfreundschaft, Obdach und verspricht ihm weitere Hilfe, damit er sein Ziel erreicht. Dabei ist er sich über mich, den Pilger noch nicht im Klaren und schon gar nicht über meine Pilgerreise und meine Ziele. Er heißt mich dennoch unter seinem Dach und im Kreise seiner Familie willkommen, riskiert eher seinen Frieden, als seinen Glauben und dafür sei ihm auf ewig gedankt.
Ich gehe an diesem Abend und in diesem Haus früh schlafen, liege gegen 21:00 Uhr im Gästebett. Ich bin müde, danke Gott für die Menschenhilfe, die er mir auf der ganzen Reise entgegen bringt und schlafe danach schnell ein.