Immer noch 5 Pilgertag – Unterwegs in Italiens Zügen.
In Bellinzona steige ich um, genieße eine halbe Stunde das Treiben vor dem Bahnhof. Dann fährt der Zug nach Milano zum “General Bahnhof”. Bis hier hin reicht mein Schweizer Ticket. Und nun? Ich möchte mit dem nächsten Zug in Richtung Venedig, raus aus der Norditalienischen Metropole. Meiner Hoffnung nach, müsste ich auf dem Land, in einer Kleinstadt an eine günstige Herberge kommen. Ich entscheide mich für ein Ticket nach Verona.
Ich besuche den Ort, des berühmtesten Liebespaares der Literatur. Irgendwo außerhalb Veronas gibt es heute Nacht ein Plätzchen für mich, so mein Kalkül. Der Zug macht mir Spaß. „Er ist räudig“ würde mein Freund Patrick den Zug beschreiben. Alte, verbrauchte Wagons, in denen sich Menschen aller Schichten nach freien Sitzen umsehen. Die Fenster können noch runtergezogen werden und ich genieße die Italienische Luft bei einem schönen Sonnenuntergang durch die Scheiben. Verona selbst, ist für mich eine Enttäuschung. Vor dem Bahnhof ist ein riesiger Platz für Busse, Autos und Verkehr, es ist dunkel und kein Hotel (für meinen Geldbeutel) in der Nähe. Es spielt für mich keine Rolle. Der Abend ist noch jung, ich muss hier nicht bleiben und heute bin ich sicher, dass mir Gott und die Götter einen passenden Weg weisen werden. Ich trinke an einem Kiosk ein Bier und bitte einen Mann, mich mit meiner Kamera zu fotografieren. Er sitzt schon eine halbe Stunde lang neben mir, hier an dem Ort – er trinkt ebenfalls ein Bier und tut sonst nix, blickt in die Gegend. Er will mich nicht fotografieren. Wie soll ich mit Menschenhilfe nach Oldupai kommen, wenn eine so einfache Bitte nicht erfüllt wird. Ich frage ihn liebenswürdig aber mit festem Blick und auf deutsch, dass er mich blos nicht versteht: „Bist Du blöde?“, dann bitte ich einen anderen Menschen, mich zu fotografieren. Es ist nun gut in Verona. Ich löse ein Ticket nach Montebello, weil mich dieser Name an einen Dire Straits Song erinnert.
Das Lied heißt zwar Portebello – aber egal, da will ich hin. Über Vincenza komme ich nach Montebello. Es ist spät, denn in Vincenza musste ich eine Stunde auf den Anschluss warten, aber nun bin ich hier. Am Bahnhof von Montebello. Aber sonst ist hier nichts. Kein Taxi, kein Hotel und vor Allem: Kein Mensch. In der Dunkelheit sehe ich in der Ferne Lichter, auch eine beleuchtete Kirche – das ist Montebello, ich laufe los. Ich komme an eine Straße und springe über sie, denn hier sind die Autos schnell unterwegs. Ich falle in einen Straßengraben und prelle mich schmerzlich am Schienbein. Na endlich – Abenteuer. Ein Fluss schneidet mir den Weg ab, aber ich erreiche schließlich mein erstes Ziel in Montebello. In einer Bar sind Menschen zu sehen, ich gehe rein, freue mich auf ein Bier. Es wird nichts draus, denn als ich nach einem Hotel frage erfahre ich, dass dieser Ort kein Hotel hat. So ein schöner Name für ein italienisches Dorf und kein Hotel? Der Wirt erklärt mir wiederwillig den Weg zum nächsten Bed und Breakfast und ich ahne; das findest Du nie.
Nun tritt wieder ein Engel in Erscheinung, sein Name Malino und er fährt mich durch die nächtliche Gegend zu der Unterkunft. Sie ist geschlossen. Er telefoniert, dann fährt er weiter, Kilometer um Kilometer durch Weinreben, Weizenfelder und dunkle Nacht. Irgendwann haben wir Glück. Irgendwo ist ein Zimmer frei, bei Gabriele. Das Haus ist groß, den Ort habe ich im Dunkeln nicht erkannt. Wir sind doch in einem Ort? Ich lade meinen Engelsfahrer auf ein Glas Rotwein ein und Gabriele erzählt mir, dass hier „Giulietta e Romeo“ geschrieben wurde, von einem Italiener, lange vor Shakespeare – so habe ich es zumindest verstanden. Malino lehnt Geld für seine Hilfe ab und erzählt mir von einem Freund aus Schallstadt, nahe meiner Heimat. So klein ist die Welt. Er verabschiedet sich, ich danke erneut, dann gehe ich auf mein Zimmer. Ich schlafe nach dem Waschen sofort ein. Habe ich gebetet und gedankt? – ich weiß es nicht mehr.