Moyale / Kenia der 10.11.2010
Ich bin nun in Moyale auf der kenianischen Seite, habe mein Visum, ein günstiges Hotelzimmer mit Dusche, das Busticket nach Nairobi morgen früh und ich bin mit etwas kenianischen Schilling versorgt.
Nach meiner Ankunft, habe ich versucht etwas zu essen, doch auch hier bietet man mir fast nur Fleisch an, was ich auf meinem Teller liegen lasse, den Katzen etwas abgebe und dafür das Beilagen Gemüse mit etwas Brot esse. Ich scherze mit der Kellnerin, dass Afrika sehr reich sein müsse, denn überall bekomme man nur Fleisch zu essen. Dies ist tatsächlich so und im Falle des Nordsudans und dieser Grenzstadt verstehe ich es sogar. Was soll in der Wüste an Gemüse, Salate und Obst auch wachsen? Leider bin ich der fleischhaltigen Kost überdrüssig, zumal ich die Metzger an der Straße arbeiten sehe, im Staub bei 30 Grad im Schatten. Ich trinke stattdessen ein paar Bier und schwanke durch die staubigen Straßen zurück zu meinem heutigen Hotel, kaufe noch einen Obstsaft für meinen geschundenen Körper, dann dusche ich und setze mich anschließend zu diesem Blogbeitrag und dem Obstsaft an den Schreibtisch.
Hier der Reisebericht: Der Tag beginnt heute Morgen um 04:00 Uhr für mich in Dilla / Äthiopien. Ich erwache, kann kein Licht im Zimmer anmachen, benutze das Feuerzeug und verbrenne mir den Daumen. Ich möchte meine Zimmertür aufschließen, bekomme sie nicht entriegelt und trete dagegen, dass man es im ganzen Ort gehört haben mag. Der Nachtwächter öffnet sie von außen und er stellt den Strom für die Hotelzimmer an. Die anderen Gäste lachen über mich, denn einen solchen Auftritt habe sie morgens wohl selten erlebt. Ich lache mit, dann brechen meine Freunde und ich auf, zum Busbahnhof. Wir müssen eine Stunde warten, es gibt Probleme weil noch ein Gast fehlt, dann sitzen wir in dem überfüllten Bus und starten unsere letzten 400 Kilometer nach Moyale, zur kenianischen Grenze. Ich kann die Fahrt heute nur bedingt genießen. Meine Pobacken schmerzen, ich habe nur einen halben Sitz frei, kann nicht einschlafen und auch der Hunger macht sich bemerkbar. Ich ignoriere ihn erfolgreich, betrachte dafür aus meinem Fenster die bezaubernde Landschaft Äthiopiens.
In den Bergen und den Hochebenen durchfahren wir Dschungel und malerische Ortschaften. Weiter südlich, kommen wir wieder in Savannenähnliche Landschaften und an malerische Ortschaften vorbei. Ich sehe wieder verschiedene Vögel die ich nicht kenne, Kühe, Esel, Ziegen und dann auch wieder Herden von Kamelen. Äthiopien ist eine Reise wert und ich nehme es mir übel, dass ich nicht eine Tour in diese Dschungellandschaft einplane. Ein andermal, verspreche ich mir. Ich habe Zeit auf dieser Fahrt und Probleme mit dem Sitzen. Ich lenke mich ab, indem ich versuche die Geschwindigkeit des Busses zu schätzen, dies mit den vermeindlichen Kilometern abgleiche die wir noch zu fahren haben und gegen 14:00 Uhr lokaler Zeit sind wir endlich auch da, in Moyale dem Grenzübergang nach Kenia. Hier geht alles sehr schnell. Meine somalischen Freunde und ich beziehen ein Hotelzimmer auf der Äthiopischen Seite, dann gehe ich alleine los an die Grenze, da ich noch ein Visum brauche. Ein älterer „Student“ begleitet mich, hilft mir sehr – zeigt mir den Äthiopischen Exit, das Kenianische Visa Amt, hilft mir beim Geld wechseln, bringt mich in ein anderes Hotel, da ich nicht mehr zurück nach Äthiopien darf. Dann holt er von dort mein Gepäck ab und zeigt mir noch ein Restaurant, wo ich Bier trinke und Katzen füttere. Ich gebe ihm umgerechnet 10 Euro und lade ihn noch auf eine Cola ein, da er sichtlich nicht zufrieden mit dem Trinkgeld ist. Wir reden entspannt und ich zeige ihm ein paar Bilder auf meinem Laptop, von meiner Familie und dem Schwarzwald. Zuletzt schaut das ganze Restaurant die Bilder an, auch mein Busfahrer für die morgige Fahrt, den ich hier kennenlerne. Er ist 19 Jahre alt und sturzbetrunken. Unter Gelächter bestelle ich ein Glas Milch für ihn – das kann ja morgen was werden.
Ich sitze nun in meinem Hotel an diesem Beitrag und muss an meine somalischen Freunde denken. Gegen meinen Willen wurden wir getrennt, denn ich möchte diese Gruppe bis Nairobi begleiten. Drei Männer, zwei Frauen, ein Kleinkind und ein Säugling sind mir durch ihre Hilfsbereitschaft und ihre Freundlichkeit ans Herz gewachsen. Ich hoffe, sie morgen wieder im Bus zu sehen. Sie sind aus Mogadischu vor dem Leben geflohen und wollen nun ernsthaft über Nairobi nach Italien weiter. Einer von ihnen hat eine Augenverletzung vom Bürgerkrieg und sollte dringend in eine Klinik und mit Asym unterhalte ich mich länger auf gebrochenem Englisch über ihr Land und der Grund ihres Auszugs aus der Heimat. Sie alle sind Islamisten und sind doch vor ihren Mitbrüdern geflohen. Asym verurteil die Aggressionen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist und meint, es bräuchte keinen Grund in seiner Heimat, damit man verhaftet, gefoltert oder erschossen wird. Die Regierung Somalias findet er gut, aber hilflos und die um Herrschaft kämpfenden Islamisten vergleicht er mit Tieren – „They are like animals“. Er wiederholt dies sehr oft in unserem Gespräch. Nun treffen sie sich in Nairobi mit weiteren Freunden und Familienmitgliedern und sind auf dem „Sprung“ nach Italien in Europa. Es gebe sichere Informationen, dass man da eventuell hinkäme. Ich bezweifele dies, möchte aber auf meine Freunde in den nächsten Tagen ein Auge haben. Ich würde gerne helfen. Doch wie und womit? Ich verspreche mir, mich einzumischen – ihnen zu helfen.
Es wird wieder spannend. Kaum bin ich wieder Zivilist, nehme ich auch schon wieder „menschliche“ Informationen wahr. Ein unbequemer und schöner Tag endet. Gute Nacht – es ist 18:20 Uhr.