Nairobi am 13.11.2010
Ich schlafe lange in dieser Nacht und habe wunderbare Träume. Gegen 09:00 Uhr wache ich auf und beginne meinen Tag mit einem englischen Frühstück in meinem Hotel. Dann mache ich mich auf in die Stadt. Zuerst muss ich in die Reinigung, ich möchte weitere Wäsche abgeben, außerdem möchte ich den Verbleib einer Jeans abklären, die ich seit gestern vermisse. Sie wurde „irgendwie vergessen“ und ich erhalte sie nun gewaschen und gebügelt zurück. Ich gehe zu meinem Internetkaffee und bin für einige Stunden mit Blogartikel und Bilder hochladen beschäftigt. Gegen 14:00 Uhr lokaler Zeit verlasse ich diese Kommunikationsbasis und ich rufe mir ein Taxi. Ich möchte zu einer Adresse, die mir Werner, ein Freund aus Deutschland gemailt hat, denn hier hat sein Schwager eine Computerschule und ihn möchte ich gerne besuchen. Laut meinen Informationen die ich von einem netten Mädchen erhalten habe, ist die Adresse nicht weit entfernt und nach wenigen Minuten in dem Taxi stehe ich vor dem Hochhaus, in dessen fünften Stock die Computerschule des Schwagers von Werner ist. Leider ist er nicht da, aber James ein Kenianer der vor Ort ist, gibt mir sein Handy und ich kann mich mit dem Gesuchten in Verbindung setzen, mich für den morgigen Tag verabreden. Ich fahre zurück in die Gegend um mein Hotel, schlendere etwas durch die Straßen, kaufe Wasser, Obstsaft, eine Nagelschere, Batterien und ein stumpfes Messer in einem Supermarkt, dann gehe ich in mein Hotelzimmer und halte einen späten Mittagsschlaf. Ich wache auf und gehe wieder auf die Straße. Erneut suche ich vitaminreiche Kost und werde teilweise fündig. In einem vollen Restaurant erstehe ich einen Platz und erhalte zu meinem Burger Menü den ersten Salat aus Zwiebel und Tomate, sowie zwei Scheiben Tomate extra. Ich bin zum Platzen satt, spaziere wieder durch Nairobis Innenstadt und gebe einigen Bettlern etwas Geld.
Mittlerweile gebe ich den bittenden Menschen etwas, meist den Frauen und den Männern eher nicht. Dies mag an meinen Erfahrungen mit „der Mutter“ in Gonder liegen, aber auch daran, dass Männer mit Geld nicht umgehen können. Ich muss es wissen.
Ein Mann am Boden jedoch, trifft mich tief ins Herz. Es ist ein Bettler in Lumpen, der keine Finger an den Händen und keine Zehen an den Füßen mehr hat, auch sein Gesicht zeugt von alten Verletzungen. Dieser Mensch ist definitiv das erste Folteropfer, dass mir in meinem Leben bewusst begegnet. Was immer diesem Mann wiederfahren sein mag, es war die „Bestie Mensch“ die ihn so zugerichtet hat. Nun liegt er in den Straßen Nairobis und zeigt mir ein menschliches Grauen auf, das kein Hollywoodfilm projizieren könnte. Vielleicht ist es die Rasse Mensch wirklich nicht wert, dass die Götter, dass Gott sich um sie kümmert. Das Gesicht des Geschundenen prägt sich mir tief in meine Gedanken, ich gebe ihm Geld und ich überlege, warum dieser Mensch dieses Schicksal erfahren hat. Wo war Gott, wo ist Gott – für diesen Menschen? Ist Gott ein guter Hirte?
Dann denke ich wieder an die Viehtransporte nach Nairobi, an andere „tierische Erfahrungen“ und daran, dass auch der Mensch kein guter Hirte ist, für die ihm anvertrauten Kreaturen. Und für diesen Gefolterten gibt es anscheinend außer Almosen auch keine menschliche Hilfe. Oder trägt er selbst an allem die Schuld? Welche Schuld kann solches Leiden und solches Leben nach sich ziehen? Ich gehe zurück zu meinem Hotel und liege lange Zeit wach auf meinem Bett, bin in Gedanken versunken. Ich kann die Welt und die Menschen nicht retten, dies ist mir auf dieser Reise schon lange klar geworden. In Hinterzartens Wälder funktionieren solche Gedankenspiele, doch wenn man reist, sieht wie groß die Welt ist und wie unterschiedlich die Menschen „ticken“ dann überkommt einem, dann überkommt mich nun doch eine Resignation und eine große Einsamkeit.
Hat eine Reisebekanntschaft vielleicht doch recht, als er behauptete, dass die Erde und die Natur besser dran wäre, wenn der Mensch aus ihnen verschwunden ist? Noch will ich es nicht glauben. Sind wir nicht der Gärtner für diesen Garten, vielleicht sogar für andere Planeten? Auch darf ich es nicht glauben, denn ich habe einen Sohn und alleine für ihn, sollte ich alles Mögliche tun damit er und seine Kindeskinder eine Chance auf dieser Erde, in dieser Welt haben. Bilder tauchen auf, von meinen „positiven“ Begegnungen auf dieser Reise. Ich erhole mich von meiner Trübsal und gehe gegen 19:00 Uhr in das Restaurant des Hotels, um die letzten zwei Tage für meinen Blog in Worte umzusetzen und um mir einen Rausch anzutrinken. Heute brauche ich Besinnungslosigkeit, durch einen Rausch.
Now it`s done – It is well done. Hicks.