27 Oktober 2010

Ich wache vor dem Handywecker auf, den mir die Jungs in meinem Zimmer auf kurz vor sechs Uhr gestellt haben. Meine innere Uhr funktioniert prächtig. Ich habe gut geschlafen und möchte heute mit dem Bus nach Karthum weiter. Ich ziehe mich im Dunkeln an, brauche dann aber doch etwas Licht für mein Gepäck, wecke damit die Jungs auf und verabschiede mich dann von ihnen. Es ist noch dunkel als ich den Busbahnhof erreiche. Ich treffe dort auf den Hotelbesitzer meines Etablissements und werde von ihm auf einen Kaffee eingeladen. Er war in der Moschee beten und wollte nun nach mir schauen und ob ich den Bus nicht verpasse. Ich bedanke mich bei ihm, eine Gegeneinladung zu einem Kaffee oder Tee lehnt er ab. Weitere Menschen kommen nun in der Dämmerung zu dem Bus und ich erkenne auch Achmed, meinen Freund von gestern, der jedoch etwas reserviert oder müde ist. Wir begrüßen uns kurz, dann laden wir das Gepäck in den Bus, steigen ein und fahren auch schon los.

Mein Bus nach Karthum

Mein Bus in Wadi HAfa

Neben mir sitzt ein Beduine in weißer Kleidung, leider spricht er kein Englisch und so schweigen wir uns gegenseitig an. Die Strecke von Wadi Halfa nach Karthum beträgt ziemlich genau 900 Kilometer. Ich bin in den letzten Tagen fast nur gesessen, sodass ich diese Fahrt ohne große Befürchtungen angehe. Ich schlafe auch bald schon ein, begleitet von Koranversen aus der Anlage des Busses. Nach zwei Stunden halten wir an der Straße, ich wache auf und steige mit einigen anderen Gästen aus dem Bus. Es ist heiß und wir stehen an einer Beduinensiedlung mitten in der Wüste, nehmen weitere Fahrgäste auf und fahren auch bald wieder weiter nach Karthum. Wir fahren auf einer Teerstraße durch Wüstenlandschaft, der Busfahrer hält das Tempo auf 120 KMH und es scheint, dass wir alleine unterwegs sind, denn ich sehe kaum ein Auto. Ich lese, schlafe oder schaue aus dem Fenster. Noch sehe ich nur Wüste, Sand und kleine Siedlungen. Irgendwann hält der Bus an einem großen Zelt, wo wir etwas essen können. Ich verzichte, kaufe mir aber eine eiskalte Cola und genieße diese in der brütenden Hitze.

Weiter geht es. Immer wieder hält der Bus für neue Gäste an oder weil uns Polizisten kontrollieren. Eigentlich kontrollieren sie nur mich, wollen meine Papiere sehen. Obwohl wir so bis zur Hauptstadt mindestens 30 Minuten verlieren, nimmt mir dies keiner der anderen Gäste übel. Nun führt die Straße am Nil entlang und ich bin begeistert. Eine wunderschöne Landschaft, viele Palmenwälder, kaum Häuser und Siedlungen und nirgendwo sehe ich Müll oder Dreck. Leider liegt es nicht daran, dass die Sudanesen viel rücksichtsvoller wären als ihre Ägyptischen Freunde. Hier gibt es einfach nichts, was man in die Wüste schmeißen könnte. Der Nil verschwindet wieder, dafür wird die Wüste bunter. Gräser, Bäume und Steinhügel die vereinzelt herumstehen, dazu sehe ich plötzlich Herden von Ziegen, Kamelen und einige Esel. Besonders die Kamelherden haben es mir angetan, denn sie stehen zu dutzenden herum, wie bei uns im Schwarzwald die Kühe. Leider mache ich keine Fotos. Eine Herde hat es sogar auf die Straße gewagt und der Bus muss bis fast zum Stillstand bremsen und hupend die Tiere verscheuchen. Ich genieße die Busfahrt.

Rast vor Karthum

Rast auf der Strecke

Fast jedenfalls, denn mein Hintern kann nicht mehr. Ich rutsche die letzten 200 Kilometer nach Karthum unbequem herum und freue mich als wir die Vorstadt erreichen. Hier gibt es wieder viel zu sehen. Menschen, Häuser, Geschäfte, Autos, Tucktucks und geselliges Treiben. Mir fällt auf, dass es nur einstöckige Häuser gibt, in keinem davon würde ich wohnen wollen. Meist sind es vier Wände, manchmal ein Dach und oft gähnt ein Loch, wo eine Tür sein müsste. Dafür stehen viele Betten vor den Häusern, worauf Menschen müde liegen. Der Bus leert sich an den verschiedenen Haltestellen und irgendwann verabschiedet sich auch Achmed von mir, mit dem ich wenig auf dieser Fahrt gesprochen habe. Im Zentrum lädt mich der Busfahrer ab, geht mit mir zu einem Taxifahrer und erklärt ihm, dass ich ein gutes Hotel wünsche. Ich hatte ihm diesen Wunsch geäußert, denn ich möchte schnell aus dem Sudan wieder raus und da verspreche ich mir in einem Sternehotel mehr englischsprachige und kundige Hilfe. Meinem Kalkül nach, müsste dieses Hotelpersonal mehr Informationen, Kontakte und vor allem mehr Routine bei den Wünschen ihrer ausländischen Gäste haben.

Ich bedanke mich bei dem Busfahrer, verabschiede mich bei den übrigen Gästen und lasse mich von dem Taxifahrer ins Zentrum fahren. Beim Regency Hotel lädt er mich ab. Leider ist das Hotel für mich unbezahlbar, denn sie wollen 130 Dollar pro Nacht, auch der Mann an der Rezeption hat keine Lust auf mich und ich verabschiede mich, laufe nun mit meinem Gepäck die Straße weiter. Gleich nebenan sehe ich das Plaza Hotel und erschrecke wieder bei den Preisen. Das Schild an der Rezeption will 148 Dollar für ein Einzelzimmer. Ich frage an der Rezeption, wo denn hier günstigere Hotels wären, ich werde begutachtet, dann bietet man mir ein Zimmer für 50 Dollar an und ich nehme es dankend an. Ich muss an meine Dollarreserven in meinem Gürtel ran, erledige das vor allen Augen an der Rezeption und erkläre der freundlichen Dame, dass sie die erste Frau im Sudan sei, für die ich mir den Gürtel ausziehe. Wir lachen beide herzhaft. Ich bekomme meinen Schlüssel, schaue mich noch kurz in der Lobby um, dann betrete ich mein Zimmer und bin freudig überrascht. Ein Doppelzimmer, groß, sauber, mit Telefon, Fernseher und Internetzugang und mit einem Sanitärraum, der diesen Namen auch verdient. Ich fühle mich pudelwohl. Obwohl ich todmüde bin, schreibe ich noch eine E-Mail an Melanie, kaufe auf der Straße noch zwei Flaschen Wasser, gehe Duschen und dann endlich ins Bett. Gute Nacht in Karthum.