Sonntag der 14 November 2010
Es ist Sonntag und ich habe mir heute vorgenommen, in einen Gottesdienst zu gehen.
Meine innere Uhr weckt mich gegen 07:00 Uhr und ich frühstücke eine Kleinigkeit in dem Restaurant des River Corners Hotel in Nairobi, meiner hiesigen „Homebase“. Ich erkläre dem Personal meine Absichten, dass ich gerne in die Kirche gehen möchte, um unter Menschen zu beten. Anscheinend gibt es unzählige Angebote und da ich keinen speziellen Wunsch habe, lediglich nicht weit laufen möchte, bringt mich der Sicherheitsdienst des Hotels zu einer Gemeinschaftshalle, begleitet mich die fünf Minuten zu Fuß und wir unterhalten uns über Gott, Kenia und die Welt. Er heißt David und ist ein gläubiger Christ, als er mich wieder verlässt wünschen wir uns gegenseitig „God bless you“.
Ich gehe in die große Halle und setze mich auf einen der spärlich besetzten Stühle. In weiß uniformierte Menschen sitzen vor mir, während ein ebenfalls so gekleideter Mann, dann eine Frau auf der Bühne vor uns, in afrikanischer Sprache in das Mikrofon sprechen. Ich bin in einen Gottesdienst der „Salvation Army Nairobis“ geraten. Ich verstehe kein Wort, betrachte das Schauspiel und bin leicht enttäuscht, denn keine 10 Minuten später ist die Versammlung vorbei. Ich bleibe sitzen, bete halt eben für mich selbst noch ein bisschen. Es bleibt bei einem Versuch, denn nun füllt sich die Halle wieder, Uniformierte mit Instrumenten richten sich rechts eine Bühne ein, gehen dann wieder. Andere „Soldaten Gottes“ testen die Mikrofone, auf der linken Seite, richten das Rednerpult, dann fängt ein fünfköpfiger Chor auf der linken Seite an sich zu sammeln, Lieder einzuüben und schließlich mit Gitarrenbegleitung und Orgel zu singen. Nun füllt sich auch der Besucherbereich wieder etwas und ich vermute, dass der englische Gottesdienst und die eigentliche Versammlung erst noch beginnen. Ich genieße die Musik, und schaue mir die Bühne und die Dekorationen an. Ich kenne die „Salvation Army“ nicht, nehme mir vor morgen über sie im Internet zu lesen. Über der Bühne hängen zwei Bilder, ein Mann mit langem Bart und eine Frau mit Haube, beide scheinen aus dem Roman „Der scharlachrote Buchstabe“ entsprungen zu sein, strahlen mich an und sind wahrscheinlich die Urheber dieser Bewegung. Andere Plakate vermelden „Jesus loves you“. Gerne würde ich mir den Gottesdienst der „Soldaten“ ansehen, mit ihnen beten, aber meine Zeit drängt langsam und ich möchte zu meiner heutigen Verabredung mit Werners Schwager, nicht zu spät kommen. Ich verlasse die Halle und suche mir auf der Straße ein Taxi, das mich an den Bahnhof Nairobis zum dortigen Bushalteplatz bringt.
Der Bus fährt mich nach Ngong und auf der knapp einstündigen Fahrt, sehe ich ein Kenia, das mir gefällt. Wälder, Pflanzen und viel Grün. Menschen und Gewerbe an der Straße, hier ist Bewegung und Fortschritt zu sehen, leider aber auch wieder das „vermüllte“ Afrika. Es ist tatsächlich nur die Innenstadt Nairobis sauber. Auch beobachte ich auf meiner Fahrt, den sonntäglichen Gang der „Gläubigen“ zu ihren Kirchen – unzähligen Kirchen. Es gibt die Katholiken, die Lutheraner, die Baptisten, die Puritaner, die St. Karen Gemeinde, die Quäker und viele mehr. Menschen pilgern zu diesen Hallen, Kirchen und Zelten und bereiten sich auf ihren Sonntag in der Gemeinschaft vor. In Ngong bin ich eine Stunde zu früh und ich schlendere etwas über den Markt, betrachte mir das rege Treiben in der Stadt, trinke eine Cola in einem Straßenkaffee – dann holt mich Kimani, meine Verabredung mit seinem Auto ab. Wir fahren über eine holprige Straße, etwa fünf Kilometer zu seinem Zuhause, wo mich seine Frau und sein Sohn begrüßen und wir gemeinsam „frühstücken“. Kimani hat in Deutschland studiert, spricht ein angenehmes Deutsch, aber meist sprechen wir in Englisch damit auch seine Familie an unserer Kommunikation teilnehmen kann. Kimani und sein Sohn gehen mit mir spazieren, zeigen mir die Landschaft und einen fantastischen Ausblick auf das Kenianische Tal, das sich hunderte von Kilometer in Richtung Tansania und Uganda erstreckt und in dem Giraffen, Zebras und andere wilde Tiere leben.
Er berichtet mir, dass hier wo wir nun sitzen, er vor zwanzig Jahren noch diese Tiere aus der Nähe gesehen hat. In der Zwischenzeit hat der Mensch sie zurück gedrängt. Zurück an seinem Haus, zeigt er mir seinen Wald und Garten, wir essen Obstsalat und ich habe die Möglichkeit, mit ihm über Kenia und meinen ersten Eindruck zu reden. Er ist hochgebildet und schildert mir die Situation in etwa so: Kenia hat seit Bestehen eine schlechte Verfassung, welche die Macht auf wenige Menschen verteilt. Vor zwei Jahren waren Wahlen über eine neue Regierung und die Verfassung, man war sich über das Ergebnis uneinig, darum kam es teilweise zu Bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Kofi Annan wurde als Unterhändler beauftragt und hat die Streitenden zu einem gemeinsamen Nenner gebracht. Nun gibt es eine bessere Verfassung, einige gute Pläne für die Zukunft und Kimani ist zuversichtlich, dass Kenia nun den Sprung in einen modernen Frieden schafft. Auch die Infrastruktur in den Norden und den Osten, welche ich bemängelt habe, seien in Planung und werden hoffentlich bald umgesetzt. Nach wie vor, sei eines der kenianischen Hauptübel die Korruption, aber auch da hofft mein Gastgeber auf eine Besserung, die er für unabdingbar hält. Ich fühle mich pudelwohl in dieser anregenden Gesellschaft mit politischen Gesprächen. Bei Dämmerung bringt mich Kimani zurück nach Ngong, zeigt mir meinen Bus nach Nairobi und ich verabrede mich für den morgigen Tag mit ihm. Er will mir dann ein Restaurant zeigen, in dem man den besten Salat Nairobis bekommt. Danke für einen tollen Sonntagnachmittag.
Zurück in Nairobi, suche ich auf direktem Wege mein Hotel auf, um dort etwas Reis und Hühnchen zu essen und meine Blogeinträge aufzuschreiben. Ich komme nicht weit – denn Sally unterbricht mich. Dazu gleich mehr. Irgendwann gegen 23:00 Uhr ist unser Gespräch und die Begegnung beendet und ich ziehe mich auf mein Zimmer zurück. In Gedanken bin ich wütend und aufgewühlt, sodass ich auf meinem Bett noch ein schnelles, zorniges Pamphlet über Bibelverblendete Christen und die alten Schriften verfasse. Hinterher geht es mir besser und ich schlafe ein.