Ein Märchen zum Sonntag den 21.November 2010
Ich sitze gegen 09:00 Uhr lokaler Zeit an einem Tisch im Freien, in dem Hotelbereich des Miami. Ich bin seit gestern Abend glücklich vom Ende meiner Pilgerreise in Oldupai zurück, habe einen langen Schlaf hinter mir und überlege nun, wie ich mit dem Schreiben beginne. Hole ich erst einmal die fehlenden Tage meines Tagebuches nach? Sammele ich nicht erst die Gedanken, die ich über die Reise, das Finale und für ein erstes Fazit habe? Wie behandele ich die folgenden Tage und Aufgaben, bis zu meinem Abflug aus Afrika – und danach?
Meine Pilgerreise ist beendet. Nicht mit dem Ende, dass ich in meinen Träumen geträumt habe, aber mit einem, für mich, sehr glücklichen und symbolträchtigen Ende.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der Garten Eden hier in dieser Region gewesen ist. Das Paradies von Adam und Eva, der verführerischen Schlange und des Apfels. Von hier wurde der Mensch vertrieben. Oder wurde er nicht eher entsandt? Jedenfalls, trat der Mensch von hier aus seinen Eroberungszug über die Kontinente der Erde an.
Nun habe ich die Schöpfungsgeschichte der Juden und Christen bemüht, denn ich bin christlich erzogen und meine theologische Bildung fand im Katholismus ihren Anfang. Aber ich deute meinen Glauben individuell und persönlich, was jedem Schriftgelehrten meiner Religion ein Graus sein mag. Manchmal glaube ich nicht. Manchmal weiß ich.
Es gibt andere Schöpfungsgeschichten und ein Märchen zu diesem Thema gefällt mir sehr gut. Apollo, mein Hund und Gefährte, hat sie mir eines gemeinsamen Spazierganges erzählt. Er und seine Ahnen glauben daran.
Achtung Märchen:
Gott erschuf die Welt, dann erschuf er das Paradies, denn in diesem Beet sollte sein Wunder gedeihen, wachsen und zusammenwirken, bevor er das Leben über den Rest der Welt kommen lassen würde. Es war ein schöner Mikrokosmos, den er da auf Erden geschaffen hatte. Aber Gott stand vor einem Problem. Er musste an seine Geschöpfe irgendwann das Gehirn verleihen, wenn sein Paradies sich selbst regulieren sollte. Nicht die kleinen Gehirne für Instinkte, Ahnung und Ehrfurcht. Nein, er brauchte einen Stellvertreter auf Erden, er musste das Großhirn verleihen, das Gehirn für logisches Denken, Weitblick und eigene Wünsche. Dieser Planet und später andere, sollten sich alleine regeln, dazu brauchte Gott einen fähigen Handlanger, der ihm die direkten Eingriffe weitgehend ersparte. Gott berief eine Audienz ein und alle kamen. Löwe und Löwin, Specht und Spechtin, Esel und Eselin, Frosch und Fröschin, Tunfisch und Tunfischin, Spinne und Spinnin, Adam und Lucy und, und, und … alle waren sie in Pärchen erschienen, sowie auch Gott in diesem Moment zu zweit war. Nun sitzen sie alle gemütlich im Kreis, es ist Vollmond, die Sonne scheint. Gott besieht sich seine Familie, dann trifft er seine Entscheidung, die schon immer feststand. Der Mensch erhält das Gehirn, nur Lucy ist aus dem Rennen – Gott wird aus einer Rippe von Adam ein besseres Model erschaffen. Er sieht sich wieder um, denn der Mensch braucht Hilfe bei seinen Aufgaben, muss mit seiner Natur und den anderen Geschöpfen kommunizieren können. Er spricht zu dem Wolf, dass er ihn an die Seite des Menschen stelle, um über ihn zu wachen und ihm zu dienen. Dann mahnt er den Esel des Menschen Last zu tragen. Beiden erklärt er, dass sie dafür kaum Dankbarkeit und Liebe zu erwarten hätten, denn das Gehirn bräuchte lange zum Lernen. Sie würden aber ein Dach mit den Menschen gemeinsam haben und irgendwann Trockenfutter und dadurch gesündere Gelenke. Und vielleicht, irgendwann in Zukunft hätte das Gehirn gelernt, dann spätestens werde ihnen mit beidem, mit Liebe und Dankbarkeit vergolten. Nun macht sich Gott allgemein an die Nahrungskette auf Erden, denn jedes Geschöpf solle einen Bezwinger haben, damit es nicht übermütig werde und damit Gott jederzeit eingreifen könne – mit natürlichen Mittel. Den Menschen stellt er über die Nahrungskette, denn das Gehirn benötigt zu Anfang viel tierisches Eiweiß. Über den Menschen erhebt er wieder die Kleinsten – Keime, Bakterien und Viren – so wird aus der Kette ein Kreis. Sein Werk ist und ward gelungen. Er hatte sein Land geordnet. Das Wasser hingegen wollte er dem Menschen noch nicht öffnen, denn das Wasser ist der Ursprung seiner Schöpfung und die Grundvoraussetzung für jedes zukünftige Leben. Er wollte im Wasser kein großes Hirn haben, gab dafür den Delfinen eine kleinere Ausgabe und gebot ihnen, die Verbindung zwischen ihrem Reich und dem der Menschen zu sein. Auch sie sollten nicht mit Dank rechnen, wären beim Menschen jedoch sehr beliebt und man würde später in den Aquaparks viele Fotos mit ihnen machen. Dann bat er Adam und Lucy zu sich. Adam kaute an den Fingernägeln, denn er hatte das Gehirn bereits erhalten. Lucy stand glücklich an seiner Seite. Gott trennte sie, nahm Adam beiseite, während er Lucy befahl in die Bäume zu steigen – sie sollte ein Affe bleiben. Adams erste Verwandte, die er bekämpfen würde und später für Versuche der Medizin und Kosmetik foltern. Die Versammlung löst sich auf und das Großhirn fängt an zu lernen. Und auch das Märchen von Apollo endet hier. Andere Erzählungen und Deutungen beginnen.
Hier in Ostafrika mag Eden gewesen sein. Es mag auch alles anders gewesen sein – es spielt für mich persönlich heute nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist doch, wohin wir gehen. Wie gehen wir mit Gottes Schöpfung um? In der Gegenwart und in der Zukunft? Wie gehen wir mit Gott um? Ich selbst stelle (nur) naive Fragen, bringe theologische Gewissheiten in meinen Gedanken ins Wanken und ich erzähle Märchen – dies öffentlich. Weil ich die Vergangenheit nicht respektiere oder weil ich es besser weiß? Nein, beides wahrlich nicht. Ich bin sicher, dass es wichtig ist, seine Familiengeschichte zu kennen. Sie enthält alle überlebenswichtigen Informationen unserer Ahnen und darum brauchen wir die Schriften und ihre (wahren) Gelehrten. Aber ich möchte den Fokus auf die Gegenwart und die Zukunft stellen, denn in diesen Zeiten können wir jetzt aktiv wirken, kann ich aktiv wirken – Für Gottes Schöpfung und für eine bessere Welt. Hier stimmt sogar einmal eine Verkäuferweisheit: Erfolg hat drei Buchstaben: TUN
Wenn ich die Pilgerreise und die Hilfe der Menschen betrachte, die ich genossen habe, dann kann ich den Menschen in löblichsten Tönen vor Gott schildern. Denn die meisten meiner Begegnungen, egal welcher Religion wollen mit Gott in Einklang leben und sind bereit ihr Leben in seinem Willen zu führen. Die meisten meiner Begegnungen haben nur dann einen Tiefpunkt erreicht, wenn es eben um diesen Willen ging. Nicht der eigentliche Wille, dass wir in Gottes Dienst die Erde und die Welt „betreiben“ sollen. Da war ich mit jedem Gläubigen der verschiedenen Religionen einig. Die Unterschiede traten dann hervor, wenn es um die Auslegungen der Propheten ging, um die alten Schriften und darum, wie wir Gott noch zu dienen hätten.
Hier in Ostafrika war und ist Eden. Gehen wir in Gedanken einmal davon aus, dass dies sogar stimmen mag. Welchen Nutzen habe ich davon? Dieses Wissen ist ein Teilwissen, ein kleines Puzzle von einem Ganzen und wahrscheinlich ziehe ich erst einen großen Nutzen daraus, wenn ich es im Ganzen betrachten kann. Viele Religionen gehen von der Tatsache aus, dass sie über das ganze Wissen schon verfügen. Ist das so? Doch in welcher religiösen Suchmaschine bediene ich mich? Wer hat die seriöseste Version? Oder haben sie alle recht, bieten aber dafür nur Teilwissen und Puzzlestücke? Ich vertraue den Propheten und Texteschreibern der vergangenen Jahrhunderte, dass sie ihre Informationen nach Gottes Willen und bestem Gewissen an die Menschheit weitergegeben haben. Ich traue ihren Abschriften aber nicht genug, damit ich den heutigen Predigern ihrer Lehren das Handeln in meiner Welt alleine (ohne mich) überlassen möchte. Ich bitte Gott um eine persönliche Zusammenfassung, eine Überarbeitung seiner gesammelten Werke – bisher vergebens. Und ich suche nach jenen Stimmen, die heute mit Gott, mit der Schöpfung aktiv kommunizieren. Ich bitte die unversöhnlichen Geister, die nur im Einklang mit Gott und den Menschen leben können, wenn es unter dem Dach ihrer eigenen theologisch – theoretischen Niederschriften geschieht, sich zu erklären und dies so, dass auch ich es verstehe. Und ich möchte die falschen Propheten gemeinsam geächtet wissen, jene die zu Mord und Gewalt aufrufen und dabei Gottes Name in den Mund nehmen. Wer die Hand gegen das Leben und gegen die Schöpfung legt, sollte sich definitiv ein Bild seines Gottes machen, denn der Schöpfer wird es kaum sein. Die Religion trennt den Menschen heute – aber der Gottesglaube ist auch die einzige Gewissheit, die den Menschen auf immer einen kann. Gottlos geht das auf jeden Fall nicht. Davon bin ich persönlich überzeugt.
Gott hat alle Menschen lieb und will dass alle Geschöpfe in einem Paradies leben. Dies ist wieder ein Teilwissen, dessen ich mir sicher sein will. Welcher Gärtner wäre glücklich über einen leidenden Garten? Und es braucht schon verdammt starke Argumente, um mich von einem Gegenteil – einem besseren Wissen zu überzeugen.
Ich bin in Oldupai vertröstet und liebevoll auf eine weitere Reise verabschiedet worden. Das letzte Bild, die letzte Einstellung handeln von einem Aufbruch, in denen zwei Menschen sitzen, zwei Gläubige verschiedener Religionen. Ein Christ und ein Muslim. Der eine betet und der andere wacht über dessen Gebete. Über meine Gebete. Danke.