Mittwoch der 17 November 2010
Es ist ein sehr guter und erholsamer Schlaf den ich an diesem Morgen habe. Gegen 08:30 Uhr wache ich auf, bleibe aber noch etwas im Bett. Es ist mit Abstand das bequemste und angenehmste Bett, in dem ich seit Betreten Afrikas liege. Und das zu einem günstigen Preis. Die Menschen hier im Hotel Miami sind supernett, mein Zimmer liebevoll ausgestattet, sowie sehr sauber und gepflegt. Heute Nacht bin ich ein paarmal aufgewacht, um Texte zu schreiben und um manch unwillkommenen Geist in meinen Gedanken abzuwehren. Es geht mühelos, ich fühle mich behütet.
Nach einem Frühstück im Restaurant des Hotels Miami gehe ich in das nächste Internetkaffee und stelle meine Texte und Bilder hoch, lese und schreibe Emails. Die Verbindung ist nicht so schnell wie noch zuletzt in Nairobi und ich kann meinen Laptop nicht benutzen, sitze über drei Stunden an meiner Arbeit. Es sind dennoch angenehme Stunden, die ich auch zum Planen meiner weiteren Schritte nutze.
Wie geht es für den Menschenweg und mich weiter? Wie ist die Aufgabenstellung? Ich bin fast am Ziel, habe noch etwa 100 Kilometer vor mir, eher weniger, bis ich an meiner Wallfahrtsstelle bin. Leider fahren dorthin keine Busse die mir bekannt sind, aber ich mache mir über das Erreichen des Zieles keine ernsthaften Sorgen. Nun könnte ich notfalls wirklich laufen. Ein anderes Problem stellt sich, wenn ich dort bin, eines dass ich bis vor wenigen Tagen, gar nicht bedacht habe. Anscheinend ist das Gebiet in dem Oldupai liegt, des Nachts für Menschen – zumindest für Touristen gesperrt. Ich möchte ja gerne in Oldupai beten und am liebsten eine Nacht unter den Sternen mit Gott verbringen. Dafür werde ich eine Lösung finden müssen. Oder besser: Dafür werde ich Menschenhilfe finden müssen. Ich beschließe eine Kirche und einen Pastor hier in Arusha aufzusuchen. Meinem Kalkül nach, müsste es vor Ort Christen geben, die mich aufnehmen und mir in dem Gebiet weiterhelfen. Auch des Nachts.
Ich gehe zurück zu meinem Hotel, gebe den Laptop auf das Zimmer und stärke mich in dem Restaurant mit Hühnchen, Reis und Gemüse. Dann frage ich nach der Katholischen Kirchengemeinde und einem Geldautomaten. Das Personal ist hilfsbereit und besorgt mir einen seriösen Taxifahrer. Wir erledigen die Bankfahrt erfolgreich, dann fährt er mich durch Arushas Straßen zu einer Kirche, die einer Baustelle gleicht, die eine Baustelle ist. Ich lese am Eingang, dass es sich um eine „Lutheran Church“ handelt. Ich bin nun unter gläubigen Christen, wenn auch die Aufgabenstellung für meinen Fahrer eine andere war. Ich suche auf der Baustelle nach Menschen, einem Ansprechpartner und finde schließlich ein Büro, in dem Godson Materu sitzt und die Geschicke seiner Gemeinde lenkt. Ich überfalle ihn und stelle mich vor. „My name is Stephan Sulzberger and I am a pilgrim …..” Er weiß nicht was er von mir halten soll, aber er ist sehr freundlich und aufmerksam. Godson ist verheiratet, hat zwei Kinder, liest meine Pilgerempfehlung von Pfarrer Seiser aus Hinterzarten und überlegt, wie er mir helfen kann. Es sieht gut aus. Ein Freund von ihm, Pfarrer Robert Malya, leistet seinen Dienst am Menschen in der Gemeinde in dem Reservat Ngorongoro. Godson versucht den Pfarrer anzurufen, dieser ist jedoch nicht erreichbar. Dafür stellt mir mein neuer Helfer eine Pilgerempfehlung in Suaheli aus. Godson Materu überlegt, ob er nicht sogar die Zeit findet, mich in das Dorf zu bringen. Es wäre mir eine Ehre. Er stellt mir noch eine Frau und zwei Männer vor, die in Arusha für die Luthern Church arbeiten, wir machen Fotos, dann verabschiede ich mich von diesen Menschen und schlendere über die Baustelle zurück auf die Straße. Ich werde Morgen von Pfarrer Matheu eine E-Mail erhalten, ob er mich begleiten kann oder ob ich mich alleine auf den Weg nach Ngorongoro zu seinem Freund, dem dortigen Pfarrer mache. Ich freue mich über diese Menschenhilfe und würde gerne die Reise mit Godson Materu machen.
Ich spaziere durch Arusha und fühle mich in dieser Stadt wohl. Etwa 200 Meter neben der “Lutheran Church” mit Godson Materu, sehe ich die Katholische Kirche. Ich muss über den Lapsus meines Taxifahrers lächeln. Gottes Wege sind unergründlich. Ich werde häufig angesprochen und bleibe oft stehen, gehe in die Gespräche. Irgendwann schnappe ich mir ein Taxi und fahre zurück zu meinem Hotel. Ich bin gut drauf, erfreue mich über die Menschenhilfe, die ich gerade erfahren habe.
In meinem Hotelzimmer überkommen mich andere Gedanken. Ich stehe vor meinem Ziel. Ich habe eine Verabredung mit Gott an einer magischen Stelle, die mich über Tausende von Kilometern gerufen hat. Hier hat Gott seine ersten „Modelle“ aus der Produktion entlassen, hier mag Eden gewesen sein. Wie bin ich vorbereitet? Gar nicht. Ich habe keine längeren Meditationsphasen mehr versucht und ich habe nur sporadisch gebetet. Ich spüre Gott an meiner Seite, weiß aber nicht um seine Pläne und fühle mich unsicher. „Die Götter mögen Komödien und Tragödien“
„This is witchcraft“ Ich sehe auf meinem Schreibtisch die französische Ausgabe eines Lehrbuches über den Islam, die mir Achmed mitgegeben hat. Ich sehe das Wolfsamulett bei der Hoteleigenen Bibel liegen. Seit ein paar Tagen trage ich es um den Hals, denn ich brauche nun mein Totem, benötige die Fürsprache Deiner Ahnen, Apollo.
Ich denke an das Heilige Wasser vom Belchen, den Stein vom Berg des Moses im Sinai, den ich an dem Wallfahrtsort ablegen möchte. Und ich denke an meinen Gebetsteppich aus Pakistan, der eindeutig keine christlichen Symbole und Zeichnungen trägt. „Man nennt mich hier einen Barbar, weil mich niemand versteht.“ Gott versteht mich, er kann meine Gedanken lesen, er kennt meine Absichten. Aber ich habe Respekt vor den Menschen. Welches Meinung werden sie hier von mir haben? Nun bin ich kurz vor meinem Ziel. Dort habe ich nichts mehr selbst im Griff. Wie erwähnt, trotz aller Zweifel und manchmal auch schlechten Gedanken auf dieser Reise, war immer klar, dass ich Oldupai erreiche. Warum hätte mich dieser Ort sonst gerufen? Nun bin ich am Ende und ich weiß nicht wie das Skript des „Directors Cut“ aussieht. Nur eines ist sicher: Ich werde es erleben, ich bin „life“ dabei.
Ich schlafe einen nachdenklichen, zweistündigen Mittagsschlaf, dann gehe ich in das Restaurant, auf einen Kaffee und fange an, diesen Blogartikel zu schreiben. Irgendwann esse ich eine Omelette und schreibe dann weiter. Eigentlich möchte ich noch vor die Tür, doch ich genieße das Schriftstellerambiente und die gelegentlichen Gespräche mit den Menschen, die in diesem Hotel arbeiten oder wohnen. Mein Menschenweg macht mir heute sehr viel Spaß, trotz der schwankenden Gefühlen. Ich fühle mich unter den Menschen hier in Arusha sehr geborgen.