07 November 2010
Meine innere Uhr funktioniert heute Nacht. Leider weckt sie mich in Etappen und ich schlafe immer wieder mal für eine Stunde, wache auf und schlummere wieder ein. Gegen 03:00 Uhr gebe ich meine Bemühungen um einen Schlaf auf und wasche mich ein letztes Mal aus meinem Wassereimer in Gonder. Zwanzig Minuten später klopft es an der Tür, mein Weckdienst ist pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk.
Ich verlasse mein Hotel und gehe durch die nächtlichen Straßen Gonders zu meiner Bushaltestelle. Die Straßen sind leer und kaum beleuchtet. Die Sterne funkeln über mir. Eine Tonbandstimme untermalt mit lauter Musik begleitet mich auf meinem Weg. Ich genieße diese Stimmung, sehe an dem Busplatz einige Menschen ebenfalls auf den Bus warten und setze mich neben sie auf eine Mauer. Es ist vier Uhr Nachts, und es ist Sonntag. Dies bedeutet, dass die Tonbandstimme nun ganz in meiner Nähe, beim Busparkplatz auf mich einwirkt. Diese Berieselung kenne ich bisher nur aus Islamischen Ländern und dort hört sie irgendwann mal wieder auf. Hier nicht. Penetrant und unaufhörlich, betet diese Tonbandstimme und beschallt mich und andere Menschen zu dieser Nachtschlafenden Zeit. Ein Mann klärt mich auf, dass die Kirche hinter diesem Akustischen Morgenläuten steckt.. Ich fühle mich gestört, denn es ist dunkel, die Sterne funkeln romantisch über mir, man könnte die Stimmung genießen, aber die Beschallung ist zu laut.
Ich schwelge in meinen Gedanken über diese, zu laute Beschallung und überbrücke damit die Zeit, bis mein Bus kommt. Er ist pünktlich, doch das Einladen und das Einsteigen brauchen viel Zeit, sodass wir mit einer Stunde Verspätung Gonder verlassen. Ich wache, ich schlafe … die Zeit verrinnt, der Bus macht seinen Weg nach Addis Abeba. Ich betrachte Äthiopien durch die Scheiben. Ein Land ist im Aufbruch, so scheint es mir. Ich sehe Armut an der Straße, sehe Landwirtschaft auf vielen Feldern, Herden von Rindern, Ziegen und Esel und ich sehe unzählige Gebäude, Abwasserkanäle und Straßen, die in diesen Tagen gebaut werden.
Neben mir, sind noch drei weitere Ausländer im Bus. Drei Chinesen, die in Addis arbeiten und die sich in Gonder eine Brauerei angesehen haben, mit deutschen Maschinen. Ich muss lachen, denn auch in diesem Bus wird mit Deutscher Technolgie Werbung gemacht. Wir fahren in einem Mercedes, ich würde ihn aus den Achtzigern tippen. Auf einem Schriftbild steht der Slogan für das Busunternehmen: „Young Truck and Driver, German Technology, Chinese Price.“ Mit dem chinesischen Preis ist wohl der Ticketpreis gemeint, obwohl dies mit umgerechnet 18 Euro für Äthiopische Verhältnisse eine enorme Aufwendung sein dürfte. Für mich ist er Ok – wie sollte er nicht für 777 Kilometer Strecke nach Addis und 12 Stunden Fahrt. Der Bus ist bis auf den letzten Platz gefüllt, wir machen vier Mal Rast, bekommen Tee, Wasser und halten für ein Essen auf unserer Strecke. Auch das Essen, Rührei mit Chili und Brot, ist mit dem Fahrtpreis bezahlt.
Gegen 18:00 Uhr erreichen wir die Hauptstadt Äthiopiens. Ich schnappe mir ein Taxi und gebe meinem Fahrer die Anweisung: „I need a Hotel with minimum 4 Stars“. Diesen Wunsch möchte ich mir heute erfüllen, möchte heiß duschen, möchte Internetempfang im Zimmer, möchte mit Visa bezahlen können und ich will kompetente Informationen über meine Weiterreise. Wir fahren einige Hotels an, bevor ich nach einigen Absagen eine optimale „Homebase“ gefunden habe. Das Hotel Jupiter erfüllt endlich meine Ansprüche als Pilger. Es hat Wifi auf dem Zimmer, ist luxuriös eingerichtet und kostet eine Menge. Definitiv zu viel für mein Reisebudget. Ich bin der Suche müde und nehme eines der Zimmer in diesem Hotel. Ich genieße eine ausgiebige Dusche, dann gehe ich kurz in das Internet, fühle mich nicht in der Lage irgendetwas zu schreiben oder zu suchen, wasche mich erneut und falle todmüde in mein superbequemes Bett.
Gute Nacht aus Addis Abeba.