Immer noch 20 Oktober 2010

Ich liege in meinem Zimmer und kann nicht schlafen. Ich denke an meine Familie und vermisse sie. Gerne wäre ich bei ihnen zuhause. Es schmerzt.

Ich denke über meine Pilgerreise nach und dass ich hier gerade etwas planlos festsitze. Zwar gibt es einen Plan ab dem 05 November, doch bis dort sind es noch ein paar Tage hin – viele Tage.

Ich frage mich, ob ein Sinn dahinter steckt? Bisher bin ich mit meinen „Begegnungen“ und dem Verlauf der Reise gut gefahren. Wäre ich sonst hier im Sinai und hätte zum Beispiel den Heiligen Berg besucht und dort gebetet? Sollen sich vielleicht meine Sinne erst schärfen und ich mich an das „Weg sein“ gewöhnen, auf dass ich nicht an den weiteren Stationen vorbei hetze? Aber was tun? Ich bete unregelmäßig und es sind fast immer dieselben Monologe. Meine Wünsche haben sich nicht geändert. Das Meditieren habe ich lediglich auf dem Berg noch mal versucht und auch das ohne nennenswerte Ergebnisse. Aber ich fange an mit den Menschen hier zu reden. Die Boys haben Interesse an mir gefunden und auch ihre Sympathien werden mir größtenteils geschenkt. Sie wissen, dass ich auf dem Berg gebetet habe und dies zu dem Gott Ibrahims (Abrahams). Jimmy der Eigentümer und Boss des Hotels ist selbst ein „guter Gläubiger“ und es liegen Broschüren in Englisch aus, die den Islam versuchen zu erklären. Er beäugt mich seit Tagen etwas skeptisch, hält mich bestenfalls für einen liebenswerten Spinner und ungefährlich, aber auch sein Interesse an mir ist scheinbar etwas geweckt. Ich fühle mich wohl unter diesen Menschen. Ich suche die Gespräche über Gott und eine bessere Welt, doch nur selten finde ich auf dieser Reise zu diesen Gesprächsthemen. Und wenn es dazu kommt, dann erzähle ich naiv und treu von meinem Glauben, dass der Mensch die Erde gemeinsam nutzen soll, sie pflegen, die Arten schützen und dies „Gottgefällig“ – wie immer dies aussehen mag.

Auf alle Fälle gehören dazu Liebe und dass kein Mensch hungert und sinnlos lebt. Manchmal erschrecke ich einige mit diesen Thesen, doch sehr oft treffe ich auf Gleichgesinnte und dann werde ich konkret. Zähle die Vorzüge unserer Zeit auf und dass wir die Welt ändern können, wir müssen es ja nur tun. Ich rechne einem gleichgesinnten Ägypter vor, dass sein Land etwa 80 Millionen Einwohner hat und wie schnell diese Zahl über Internet erreichbar ist. Wie viele können sich sammeln und die Welt beeinflussen? Müssen wir den Kriegstreibern, Falschen Propheten und den „Wirtschaftsweisen“ freie Hand lassen bei ihren erfolgreichen Bemühungen den Karren an die Wand zu fahren oder versuchen wir wenigstens, was in unserer Macht liegt.

Versuche ich es wenigstens? Leider gibt es eine Community für diese Ziele nicht oder es gibt sehr viele. Selbst wenn – was und wie und wer? Ich will auf dieser Pilgerreise für mich selbst Antworten erhalten und bis dahin versuche ich zu beobachten, zu fühlen und meine eigenen Ansichten zu vertreten bis ich es besser weiß. Ich schaue dass ich einen guten Eindruck hinterlasse und rasiere mich täglich, bin nett zu allen und jedem, ruhig und bestimmt. Und wie man hier lesen kann – ich bin naiv in meinen Gedanken.

Ich weiß noch nicht wie das Abenteuer und die Reise hier weitergeht. Ich werde vertrauen müssen und Geduld entwickeln.