Heute Morgen in Kairo
Das Phänomen der inneren Uhr funktioniert bei mir heute prächtig. Trotz dass ich spät ins Bett gegangen bin und keinen Weckdienst bestellt habe, wache ich kurz vor acht Uhr auf. Heute ist der Tag der Botschaften – welch doppeldeutiger Satz.
Gegen neun verlasse ich nach dem Frühstück das Hotel und wenig später erreiche ich die Deutsche Botschaft. Ich benötige den „letter“ und freue mich auf ein paar deutsche Worte, Informationen und Kontakte. Ich passiere den Sicherheitsdienst und werde zum entsprechenden Bereich weitergeleitet. Ein großer Wartesaal, sauber, die Klimaanlage arbeitet als wäre sie gerade aus der Produktion gekommen und es hängen Bilder mit deutschen Motiven an der Wand. Hier ist Deutschland, man fühlt sich sogleich zuhause.
Vier Männer, der Hautfarbe nach keine Deutschen sitzen auf den Stühlen, einer spricht mit dem Mann am einzigen geöffneten Schalter. Ich bin an der Reihe, lächle und frage nach dem „letter“. Der Mann lächelt nicht, ist ausgesprochen unfreundlich; „Das kostet 160 Pound“. Ich lasse es ihm durchgehen und frage, ob ich auch in Dollar oder Euro zahlen kann. Er bleibt bei seinem Ton und verneint, ich muss auch passend zahlen, das Restgeld als Trinkgeld annehmen, darf er eh nicht. Er ist der erste offizielle Repräsentant meines Landes, den ich, den andere Menschen hier antreffen – ich bin mit seiner Arbeitseinstellung und der Unfreundlichkeit nun gar nicht mehr einverstanden, nehme ernsten Blickkontakt auf, gebe ihm dennoch eine weitere Chance. „Muss ich für Äthiopien auch ein Visum in Kairo beantragen oder bekomme ich das an der Grenze dort?“ Er hält an seiner Linie fest und meint, das wisse er nicht, es würde sich ja alles halbjährlich ändern. Nun ist mir gut und ich nehme den Fehdehandschuh an. „Wer ist denn hier der zuständige Fachabteilungsleiter für genau diese Frage?“
Ihm dämmert langsam, dass ich Ärger bedeuten könnte, aber er hat keine Antwort und geht meinen „letter“ holen. Ich bin bereit und tue das Meine, um in der Situation das Geschehen nun in die Hand zu nehmen. Ich habe keine Mühe, sämtliche persönliche Autorität aufzubieten die mir gegeben ist. Ich drehe mich um und spreche die Männer hinter mir an; „Spricht hier jemand Deutsch?“ Ich bin hörbar laut und fange an bei den Männern Geld zu wechseln, schimpfe theatralisch vor mich hin. Ich setze mich und nehme den Schalter wieder ins Visier. Dort sind mittlerweile auch weitere Köpfe zu sehen, wahrscheinlich wollen sie an der Show teilhaben. Ich bin gerüstet für das Äußerste. Ein Vertreter meines Landes hat freundlich zu sein und hilfsbereit, zu Allen. Millionen von Geldern werden in Imagekampagnen und Werbungen für Regionen in Deutschland gesteckt und dieser Mann versaut hier alles. Ich sehe mich schon beim Botschafter persönlich, dieses Thema ansprechen. Dazu kommt es nicht mehr. Der Beamte hat sich wahrscheinlich an seinen Deeskalationskurs erinnert und ist nun plötzlich freundlich. Lächelnd gibt er mir die Papiere und verabschiedet mich. Ich bin zu sprachlos, um noch etwas zu sagen. Dieser schnelle Umschwung hat mich dann doch überrascht.
In der Botschaft des Sudan ist Hochbetrieb. Viele Farbige und Schwarze sitzen oder stehen, drei Deutsche sind mit dem Ausfüllen von Papieren beschäftigt. Ich spreche sie an und Martin, einer von ihnen hilft mir beim Ausfüllen meiner Papiere. Ich mache Passbilder, gehe zum Interview, zahle 100 Dollar, warte wieder am Schalter und erfahre, dass ich heute um drei Wiederkommen soll. Für dieses Unternehmen ist nun kaum eine Stunde vergangen und trotz des Betriebes habe ich nur nette und hilfsbereite Menschen angetroffen. Meine Gedanken schweifen zurück zu meinen Erlebnissen auf meiner Heimatbotschaft. Was ist nun die Botschaft? – Seid doch lieber nett zu mir, ich brauche das. WIR brauchen das. Ich gehe zurück zu meinem Hotel, kaufe auf dem Markt zuvor noch Bananen, Kiwi und ein Croissant, dann wende ich mich diesem Beitrag zu.