Dritter Tag auf der Fähre
09 Oktober – Tag 11 auf meiner Reise
Die letzte Nacht war für mich ein wunderbares Erlebnis. Meterhohe Wellen lassen das Schiff aufbäumen und es knarrt und kracht in unserer Kabine. Ich fühle mich wieder jung, zurück in die Zeiten versetzt, als ich Obermaat bei der Marine war. Andere Menschen können diesen Seegang nicht genießen und ich höre vor unserer Kabine Personen laufen, auch Marco nimmt eine Tablette gegen die aufwühlende See. Ich schlafe glücklich und schaukelnd ein. Gegen 08:00 Uhr erwache ich. Heute wird nicht viel passieren – Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Dazwischen ein Mittagsschlaf und viele Gespräche. Wilhelm und ich beschließen, dass wir die Fahrt durch den Sudan bis Äthiopien gemeinsam unternehmen. Mariet fällt ein Stein vom Herzen, denn sie fühlt sich nun besser, da sie weiß dass Wilhelm einen Beifahrer hat. Ein weiteres Paar auf dem Schiff, will mit dem Land Rover durch den Sudan bis nach Südafrika. Sie sind Schweizer aus Basel, beide über 50 Jahre alt und sie haben schon alle Papiere und Visums organisiert. Ich fotografiere sie, hoffe damit Melanie zuhause zu beruhigen. Ich sollte meiner Liebsten versprechen, dass ich um den Sudan ausweiche. Ich habe ihr dieses Versprechen nicht gegeben. Zum Glück. Anscheinend fährt hier jeder durch den Sudan, nur ich hatte im Vorfeld große Besorgnis. Gott regelt mein Weiterkommen – wie konnte ich zweifeln?
Mit Nick habe ich intensive Gespräche über das Pilgern, Meditation und die Menschen. Er ist nun seit fast zwei Monaten unterwegs und hat viele heilige Orte in Spanien, Frankreich und Italien besucht. Er ist weiter als ich, denn er strahlt Ruhe, Gelassenheit und auch eine Weisheit aus. Ich, ein Rucksacktourist der vom Pilgern erzählt, fühle mich ihm gegenüber wie ein Hochstapler. Abends sitzen wir zusammen, Marco, Nick, Mariet, Wilhelm und ich. Ich trinke mit Mariet und Wilhelm Bier und Whiskey. Marco zeigt uns Bilder von seinen Theaterprojekten und erzählt ein bisschen von sich. Ich mag ihn, mag überhaupt jeden dieser kleinen Gruppe. Auf der Fähre sind 35 Passagiere. Laut Personal, sind normalerweise 350 Personen auf dem Schiff, auch die Rückfahrt sei schon ausgebucht. Die geringe Auslastung ist für mich ein glücklicher „Zufall“, denn so rede ich mit fast allen Mitreisenden, habe mit jedem Kontakt. Es ist ein schöner Abend, trotz der Drinks gehe ich nüchtern ins Bett. Heute Nacht warte ich vergebens auf hohe Wellen, dafür schläft Marco glücklicher ein.