Pilgertag 7 – 5 Oktober 2010 -Dolo / Italien
Ich bin wieder an der falschen Station ausgestiegen. Diesmal ist der Name der Ortschaft Dolo. Aber fangen wir beim heutigen Morgen an.
Ich erwache gegen 8:00 Uhr in Montorso und bleibe im Bett liegen. Mein Netbook findet den hauseigenen Empfang und ich logge mich bei Couchsurfing ein. Auf meinem Account schreibe ich etwa 20 Menschen auf der Seite an, alle haben eine Couch in Venedig anzubieten. Na da wird doch einer dabei sein, der mich aufnimmt. Anschließend dusche ich, diesmal hat das Wasser sogar etwas Temperatur, doch von Wärme würde ich noch nicht sprechen. Ich habe mich auch ein bisschen erkältet, ich beobachte – so nenne ich diesen Zustand. Das Frühstück spare ich mir, denn nach abgepackten Croissants ist mir gerade nicht. Den Cappuccino werde ich später trinken. Ich packe und bezahle mein Hotel für zwei Tage und das gestrige Essen. Mit Trinkgeld sind das 95 Euro. Das ist Luxuspilgerei. Der Wirt erklärt mir den Weg nach Montebello und ich breche mit meinem Monstergepäck wieder auf.
Adieu Montorso, adieu Giulietta e Romeo. Ich laufe los. Es sollen 4 Kilometer sein, aber auch das ist eine Mär. Schönstes Wanderwetter begleitet mich, die Sonne scheint und ich lauf, esse irgendwann meine Brötchen mit Käse aus dem Supermarkt und trinke Wasser aus der Flasche. Irgendwann stehe ich an dem Bahnhof von Montebello und suche den Ticketautomat. Laut meinem Wirt müsste hier einer sein.
Ein nettes Mädchen klärt mich auf, dass es hier keinen gibt und ich solle doch beim Schaffner ein Ticket kaufen. Geht das in Italien noch? In Deutschland ist es schon eine Anmaßung, den Schaffner nach dem Wetter zu fragen. Ich löse ein Ticket in Richtung Venedig. Von allen Stationen, die dazwischen liegen, gefällt mir der Name Dolo am besten. Dolo wie Dolores oder wie D(T)olo Bien. Das nette Mädchen sitzt mir gegenüber, spricht im besten Englisch mit mir und so erfahre ich, dass sie in Venedig wohnt, studiert und irgendwann Choreographin werden will. In Dolo steige ich aus, gönne mir einen Kaffee an einer Pizzeria und frage nach Internetcafé und Hotelmöglichkeiten in dem Ort. Der Wirt ist nett und sagt, dass beides in Dolo vorhanden ist. Heute habe ich wieder einen Plan: Ich suche das erste Internetcafé auf, um meine Einladungen für Venedig abzuchecken. Dann entscheide ich ob ich ein Hotel brauche oder ob ich nach Venedig weiterfahre.
Ich laufe in die Richtung, die mir der nette Wirt vorgegeben hat. Es ist weiter als vermutet, auch hier ist der Bahnhof weit außerhalb und ich laufe etwa 4 Kilometer. Der Ort kommt, ich sehe die ersten Hotels und ich frage nach einem Internetcafé. Es gibt keines, erfahre ich. Also auf zur nächsten Bar mit „Wifi“ – es gibt keine, erfahre ich.
Nun ist es 16:12 Uhr und ich sitze in einer Bar, mit einem gelangweilten Kellner und weiß: Der Weg war umsonst. Das Bier, welches vor mir steht hebt meine Laune nur mäßig. Ich muss zurück an den Bahnhof, wieder 4 Kilometer. Es macht hier keinen Sinn auf dem Land. Wenn ich keinen Internetempfang habe, dann kann ich nicht nachsehen, ob ich schon Einladungen beim Couchsurfing habe. Also zurück zum Bahnhof, und dann?
Ich überlege, ob ich nicht etwas falsch mache. Hier in Dolo sind wahrscheinlich viele Menschen, inklusive des unfreundlichen Kellners irgendwo online. Ich müsste ja nur einen kurzen Zugang bekommen. Soll ich fragen? Nachher fahre ich nach Venedig und habe keine Einladung – dann zahle ich viel mehr für ein Hotelzimmer und habe wieder das Nachsehen. Der Vater von Amir hat mir vor Monaten erzählt: „Gehe so schnell es geht aus Europa raus, das kostet nur Geld“ Er hatte recht: Zwei Bier hier kosten 7 Euro – ich hätte auch Wasser trinken können. Anyway … was mache ich jetzt? Ich zahle und verabschiede mich, laufe die Kilometer zurück an den Bahnhof von Dolo.
Ich fahre nach Mestre, zahle die 1,80 Euro wieder beim Schaffner. Diese Stadt kenne ich aus einem Besuch vor zwei Jahren und aus den Brunetti-Romanen, der Dona Leon. Ich fühle mich gleich wohl. Am Bahnhof sehe ich die ersten Hotels und ich entscheide mich erst zu einem Gang in ein Internetcafé. Ich komme in einen Shop mit vielen Computern und keinem Menschen, außer dem Angestellten. Er ist gar nicht auf Gäste eingestellt und seine Miene verrät mir, dass er auch morgen keine Lust zu arbeiten haben wird. Vielleicht bin ich penibel, vielleicht bin ich auch ein Mensch der falsche Erwartungen vor sich hin trägt, aber ich kann unfreundliches Personal nicht leiden. Ich arbeite seit Jahrhunderten selbst im Service und in der Dienstleistung und werde für das Lächeln bezahlt. Ich kann eigentlich gar keinen unfreundlichen Menschen leiden, ob bei der Arbeit oder nicht.
Anyway…ich logge mich bei Couchsurfing ein und sehe, dass etwa 10 Personen noch nicht geantwortet haben, die restlichen haben mir abgesagt, haben keine Couch für mich frei. Eine Couchsurferin schreibt sympathisch, dass sie gerade umgezogen ist und gibt mir einige Links mit, wo ich ein Hotel in Venedig finden kann. Die anderen Couchsurfer sind meist besetzt (so schreiben sie) oder selber gerade auf Reisen. Ein Italiener schreibt mir, dass ich wohl Nationalist sei, da ich meine Profildaten in Deutsch geschrieben habe – er hat aus diesem Grund (Disziplinarische Maßnahme?) keine Couch für mich frei. Wer ist hier nun der Nationalist? Ich schalte den Computer aus und beruhige mich wieder. Heute ist also keine Couch für mich frei. Damit steht es 0:0 zwischen Pilgern und Couchsurfen. Also los zur Hotelsuche. Ich klappere etwa 8 Hotels in Mestre ab, alle liegen in der Innenstadt und ich brauche dafür knapp zwei Stunden. Wie erwartet, sind mir alle zu teuer. Das günstigste für 65 Euro die Nacht. Ich amüsiere mich über einen Rezeptionisten, der mir einen Spezialpreis machen will für 70 Euro die Nacht, denn das Zimmer koste normal 60 Euro. Er bemerkt den Fehler und da kostet das Zimmer dann gleich 80 Euro die Nacht. Das ist mir alles unbezahlbar. Was mache ich nun? Ich gehe zurück zum Bahnhof und löse ein Ticket zurück nach Dolo. Dort habe ich ein Hotelschild gesehen für 35 Euro die Nacht – also auf, die 10 Minuten Zugfahrt zurück machen Sinn, da ist wenigstens ein günstiges Zimmer.
Wieder in Dolo, erneut ein Fußmarsch von 4 Kilometer und die Enttäuschung ist groß. Das günstige Zimmer ist belegt, das Hotel voll. Ich suche weiter, noch ein Hotel, dann noch eins und dann habe ich Glück. Für 40 Euro (ohne Frühstück) bekomme ich ein Zimmer in Dolo. Es ist sauber, groß und hat heißes Wasser.
Frisch geduscht sitze ich nun in der Pizzeria vor meinem Hotel, speise eine Pizza, Salat und trinke ein Glas Bier. Es ist 20:46 und mir ist gut für heute. Gerne würde ich noch mit Melanie telefonieren, vielleicht tue ich dies noch vom Zimmer aus, alleine die Kosten scheue ich. Seit 7 Tagen bin ich nun am Pilgern, davon zwei Tage bei meiner Mama und dennoch hat mich die ganze Reise schon fast 350 Euro gekostet. Das kann sich kein Pilger erlauben, es wird Zeit dass ich nach Afrika komme. Eine positive Nachricht habe ich gestern Nacht noch erhalten: Amir, ein Freund aus Staufener Zeiten, hat mir Gastfreundschaft und Obdach in Kairo angeboten. Es wird Zeit, dass ich auf die Fähre komme. Leider fährt der Kutter erst am Donnerstag und ich bin genötigt, noch einen Tag in Italien rumzulungern. Für heute ist mir gut. Was gäbe ich jetzt, um daheim bei den Lieben sein zu können. Ich vermisse Melanie und ich denke lange über meinen vaterlosen Sohn nach. „Gute Nacht – meine Schätze.“