Sechster Pilgertag – am 4 Oktober 2010
Es ist 20:11 Uhr, ich sitze im Restaurant des „Giulietta e Romeo“ und frage nach einem Glas Rotwein, sowie einen kleinen Salat. Ricardo bringt mir einen halben Liter Rotwein und tischt mir einen Teller schmackhafter Nudeln auf, das Vorspiel eines Menüs, dass hier vier weitere Personen essen. Personal, Eigentümer, ein weiterer Gast und ich – wir essen alle das Gleiche. Die Nudeln sind sehr lecker. Leider habe ich vor einer Stunde schon Käse, Wurst und ein Apfel aus dem Supermarkt gegessen – ich hatte Hunger und wollte Geld sparen.
Wie soll ich jetzt das ganze Menü überstehen? Überfressen auf einer Pilgerreise – man stelle sich das einmal vor. Ich esse die Nudeln und trinke ein weiteres Glas Rotwein. Der Koch kommt nun ebenfalls mit einem Teller Nudeln in den Speiseraum und lässt es sich schmecken. Ich finde Gefallen an dieser Gesellschaft.
Noch vor zwei Stunden war ich zu Tode betrübt. Was tue ich hier? Warum bin ich nicht bei meiner Familie? Was erwarte ich und was bilde ich mir ein?
Ich erwachte heute Morgen früh und gehe zum Frühstücken nach unten. Drei Tassen Cappuccino und ein trockenes Croissant sind die Ausbeute. Ich frohlocke, denn der Laptop findet das hauseigene Netz und ich möchte heute etwas an meinem Online-Tagebuch arbeiten. Ich fange gegen 09:00 Uhr damit an, setze mich raus vor das Hotel, bis der Empfang wieder verschwindet. Drinnen bekomme ich wieder Verbindung und so sitze ich in einer dunklen Hotelhalle und arbeite an meinem Online-Auftritt. Draußen scheint die Sonne und ich unterbreche meine Tätigkeit gegen 12:30 Uhr und schlendere durch den Ort. Soviel an einem Stück, habe ich schon lange nicht mehr am Computer gearbeitet. Ich weiß nun wo ich bin. Montorso heißt dieses Italienische Juwel und ich wohne an der Via Fratta 7. Das Zimmer ist spartanisch eingerichtet und warmes Wasser wäre heute schön gewesen. Ich rechne auch morgen nicht damit. Das Zimmer ist außergewöhnlich sauber, denn es blitzt überall.
Der Hauptgang kommt. Eine Scheibe Braten mit Kartoffelbrei – es schmeckt fantastisch – ich esse leer und mein Magen meldet sich, klagt wegen Überfüllung. Wieder essen alle das Gleiche – ich trinke Wein und Wasser.
Mein Mittagsspaziergang in Montorso ist bald vorüber. Ich besuche die romantische Kirche, malerische Innenhöfe und ich denke an Romeo und Julia. Mir hat die Verfilmung mit DiCaprio gut gefallen und mir hat Claire als Julia sehr gut gefallen, war sogar verliebt in sie. Ich denke an Melanie und an meine Familie – denke an meine Liebe. Ich gehe wieder an die Arbeit. Wieder in die dunkle Halle und in mein Zimmer. Bilder bei Flickr, Artikel auf dem Blog, Emails an Freunde, Rundmail auf Facebook, Einstellungen, Sicherheit und allgemeine Kämpfe mit meinem Netbook – das anstrengendste auf dieser Pilgerreise bisher, ist der Weblog. Aber ich bin nun langsam mit dem Ergebnis zufrieden. Um 17:30 Uhr verlasse ich wieder das Hotel, um in dem kleinen Einkaufsladen mein Abendessen zu kaufen. Nun regnet es, das Wetter erfasst meine Stimmung. Ich werde später noch einen Anstands-Salat essen und dann beim Schreiben noch ein paar Rotwein trinken, so denke ich. Ich esse, bin noch einmal im Netz bis 19:00 Uhr, dann ruhe ich und möchte nicht mehr aufstehen. Aber ich muss noch den Artikel über den heutigen Tag schreiben, also auf ins Restaurant zu einem Salat. Naja wir wissen es nun besser.
Das Essen ist nun vorüber und ich kann als Dessert einen Grappa wählen. Jetzt bricht mein Gebäude im Magen endgültig zusammen. Aber auch mein Artikel über den heutigen Pilgertag ist zu Ende – bereit für online. Es ist 20:56 Uhr. Ich habe gegessen und nach diesem Glas Wein und dem zweiten Glas Grappa stimmt auch der Pegel auf meinem Stimmungsbarometer wieder. Dennoch möchte ich nachreichen. Heute war kein schöner Tag für mich. Ich habe meine kleine Familie vermisst und ich habe meine gesamte Pilgerreise in Frage gestellt. Nicht die Reise, aber meine Rolle in dem Ganzen. Wie erwähnt, der Wein und das Essen sind gut und meine Stimmung ist wieder verfärbt. Ich habe heute wirklich bereut. Und ich bin mir meiner nicht mehr sicher. Heute war ein schöner Tag – was jammere ich?